UdL Digital Talk mit SPD-Generalsekretärin Katarina Barley:„Es ist ein wahnsinnig schmaler Grat“

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley
Wie ändert sich durch die sozialen Medien die Meinungsbildung in unserer Gesellschaft? Wie geht die Politik mit diesen Veränderungen um? Wie können wir uns in der vernetzten, digitalen Welt auf Normen des Umgangs einigen? Wer sollte solche Normen durchsetzen, und wie? Um diese Fragen entspann sich beim UdL Digital Talk im Telefónica BASECAMP mit dem Titel „Unwahr, halbwahr, wahrscheinlich? - Fakten und Meinungsmacht in digitalen Zeiten“ eine lebhafte Debatte zwischen der SPD-Generalsekretärin Katarina Barley und dem Netzpolitik.org-Redakteur Ingo Dachwitz. Noch vor einem Jahrzehnt richtete sich der öffentliche Diskurs maßgeblich an Redaktionsentscheidungen von Zeitungen und Nachrichtensendern aus. Heute können Individuen und Interessengruppen über soziale Medien sehr direkt Einfluss auf andere nehmen und Themen auf die gesellschaftliche Agenda heben. Diese Dezentralisierung hat gewaltige Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und bedingt eine grundsätzliche Auseinandersetzung über Werte und Regeln – darin waren sich die beiden Podiumsteilnehmer mit Moderator Cherno Jobatey einig.

Regieren via Twitter?

Moderator Cherno Jobatey (mitte) beim UdL Digital Talk im Telefónica BASECAMP
Dabei sind die Auswirkungen dieser Dynamik bei weitem noch nicht vollständig überschaubar, so Barley. Zwar sei die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA ohne die Macht der sozialen Medien nicht möglich gewesen. Doch wie sich dieser neue Politikstil im Alltag bewährt, sei bislang nicht abzusehen, sagte die SPD-Generalsekretärin. „Das ist spannend, was daraus wird, also quasi Regieren via Twitter − ob sich das am Ende wirklich durchsetzt, muss man ja noch sehen, das entscheidet sich gerade,“ sagte sie. „Wenn er wirklich durchkommt, auch mit den vielen Lügen, die er erzählt, und wenn er das wirklich schafft, über die sozialen Netzwerke so eine Unterstützung hinter sich zu kriegen, dass ihm das nichts anhaben kann, dann ist das wirklich eine Kulturrevolution in der Politik.“

Falschmeldungen und Hetze

Wie man Falschmeldungen und Hetze im Netz Herr werden soll, darüber waren sich Barley und Dachwitz uneinig. Vor allem am von Bundesjustizminister Heiko Maas geplanten Netzwerkdurchsetzungsgesetz, welches Plattformbetreiber unter Androhung von Geldstrafen in die Pflicht nehmen soll, bestimmte Beiträge zu löschen, entzündete sich eine Grundsatzdebatte. Freie Meinungsäußerung ist eines der höchsten Güter, die wir haben in diesem Land. Aber es gibt schon Tweets oder Posts wo ich sage: Ich möchte nicht, dass sich das verbreitet, auch nicht zwei Stunden lang“, so Barley. „Freiwilligkeit ist schön, aber wenn wir sehen, dass es nicht funktioniert, müssen Regeln her.“ Dachwitz konterte, dass das Gesetz nicht nur zu umfassend reguliere, sondern auch die politische und rechtliche Verantwortung auf Privatunternehmen abwälze. „Wir dürfen Unternehmen nicht für Rechtsauslegung verantwortlich machen“, sagte der Redakteur. „Wir müssen in die Lage kommen, dass Gerichte und Strafverfolgung schnell feststellen können, ob etwas legal ist oder nicht. Wenn man reguliert, dann muss man das vorsichtiger machen als in diesem Entwurf. Wenn Facebook ständig Strafen drohen, wird es im Zweifelsfall eher zu viel löschen.“ Dies sei eine Gefahr für die Meinungsfreiheit im Netz, fuhr er fort. „Es ist ein wahnsinnig schmaler Grat“, fasste Barley zusammen, und fügte hinzu, dass der Gesetzgebungsprozess noch nicht abgeschlossen sei.

Bildung gegen Filterblasen

Es ging auch darum, wie Bürger und Politik mit sogenannten Filterblasen, also dem Zerbröseln des öffentlichen Diskurses in voneinander abgeschottete Leser- und Zuschauergruppen, umgehen sollten. Während Dachwitz sagte, auch früher schon hätten sich Menschen mit ähnlichen Weltsichten in Kneipen und andernorts zusammengetan, plädierte Barley dafür, an dem Ideal einer Medienpluralität auch im Leben des einzelnen festzuhalten. „Wir kriegen die Zahnpasta nicht mehr in die Tube“, sagte sie. „Man kann versuchen, das zu regulieren, aber letzten Endes ist es wirklich eine Aufgabe von Bildung.“ Telefónica Deutschland ermöglicht als Telekommunikationsunternehmen nicht nur die Digitalisierung, sondern fördert die öffentliche Debatte über die Zukunft der digitalen Welt und des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Das Telefónica BASECAMP in Berlin dient hierfür als Zentrum. So finden Woche für Woche viele verschiedene Veranstaltungen statt, die sich mit vielfältigen Aspekten der Digitalisierung auseinandersetzen. Mit digitalen Multiplikatoren, Unternehmen, Verbrauchern, Politikern und Wissenschaftlern werden Trends, Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung diskutiert.

Von: Cornelius Rahn

Cornelius Rahn ist Pressesprecher für Finanzthemen sowie für Fragen rund um die Unternehmens-IT und die Innovationsfabrik Wayra. Er war zuvor sechs Jahre lang als Wirtschaftsjournalist tätig und ist seit 2015 Teil des Corporation Communications-Teams bei Telefónica Deutschland.

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