Debatte um Künstliche Intelligenz im Telefónica BASECAMP:Mensch muss oberste ethische Instanz bleiben

Credits: Henrik Andree
Stephan-Andreas Casdorf (Moderator, Tagesspiegel), Ralf Herbrich (Amazon), Isabella Hermann (BBAW), Lars Klingbeil (MdB), Richard Benjamins (Telefónica)
Sprachassistenten ziehen ins Wohnzimmer ein, Industrieroboter steigern die Produktivität und auf Teststrecken fahren erste autonome Fahrzeuge. Marktforscher Gartner prognostiziert einen Geschäftswert durch Künstliche Intelligenz (KI) von 1,2 Billionen Dollar für 2018. Gleichzeitig zeigt eine Umfrage von YouGov, dass die Deutschen eher die Risiken als den Nutzen von KI sehen. Diese Zahlen verdeutlichen die wichtige Rolle der Wirtschaft: Das Potenzial von KI muss genutzt werden, aber verantwortlich. Telefónica Deutschland als Wegbereiter der Digitalisierung fördert deshalb den Diskurs u.a. im Telefónica BASECAMP in Berlin, zeigt Anwendungsbeispiele und entwickelte 5 Thesen zur Ethik von KI. Maschinen haben gelernt zu lernen und werden zunehmend unabhängiger und treffsicherer. Wie werden die Rollen zwischen Mensch und Maschine in Zukunft verteilt? Können selbstlernende Maschinen nach ethischen Prinzipien handeln? Diese Fragen standen bei der 10. Ausgabe der Tagesspiegel Data Debates im Zentrum. Am 11. September 2018 diskutierten im Telefónica BASECAMP der Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil (SPD), Richard Benjamins, Data & Artificial Intelligence Ambassador von Telefónica, Ralf Herbrich, Leiter des Forscher- und Entwicklerteams für KI bei Amazon und die Politologin Isabella Hermann. In seinem Impulsvortrag forderte der Politiker Lars Klingbeil, Europa müsse der Gestalter Künstlicher Intelligenz sein, auf Basis des gemeinsamen Wertekodex – zwischen US-Amerikanischem Datenkapitalismus und chinesischem Überwachungsstaat. Am Ende seiner 10-Punkte-Rede unterstrich der Bundestagsabgeordnete, dass er KI gegenüber positiv gestimmt sei, aber: „Denken Sie weiterhin selbst“, forderte Klingbeil das Publikum auf.

Risiken auch ohne KI

Credits: Henrik Andree
KI-Experte Richard Benjamins
Auch der KI-Experte Richard Benjamins sieht großen Nutzen in KI-Anwendungen. „Künstliche Intelligenz ist ein großartiges und mächtiges Werkzeug, um unser Leben zu verbessern”, erklärte Benjamins. „Wir sollten auch erwägen, welchen Risiken wir ohne KI ausgesetzt wären.“ Aber er sehe durchaus auch die kritischen Aspekte. „Bevor KI in großem Umfang eingesetzt werden kann, müssen wir mehrere Herausforderungen bewältigen, wie z.B. den Missbrauch der Technologie für das Militär, und dafür müssen verschiedene Interessengruppen eingebunden werden“, so Benjamins. Er betonte, dass die Diskussion rund um KI am besten an konkreten Beispielen stattfinden sollte. Auch die aktuelle Befragung zu KI des Marktforschers YouGov kommt zu dem Ergebnis, dass die Meinung der Menschen stark von der konkreten Anwendung abhängt. So herrsche große Ablehnung gegenüber KI, die Menschen bewertet. Drei Viertel der Befragten sitzen bei einem Vorstellungsgespräch lieber einem Menschen gegenüber. Am wenigsten Probleme hätten die Befragten mit einfachen, von KI erstellten Berichten, z.B. zu einem Fußballspiel.

Künstliche Intelligenz für ein besseres Kundenerlebnis

Einen Beitrag zum öffentlichen Diskurs möchte Telefónica Deutschland neben Debatten im Telefónica BASECAMP auch anhand konkreter Anwendungen von KI beitragen und so das Thema greifbarer machen. Es setzt KI und Datenanalyse u.a. dazu ein, das Kundenerlebnis bei Service, Netz und Produkten zu verbessern: KI erleichtert die Wartung und Optimierung des Mobilfunknetzes, hilft bei der Analyse von Social Media, ermöglicht die Datenanalyse für bessere Verkehrsplanung, beschleunigt Serviceanfragen oder vernetzt Mitarbeiter untereinander. Somit ist KI ein wichtiger Bestandteil der digitalen Transformation. Telefónica Deutschland hat ein eigenes Center of Excellence für Künstliche Intelligenz aufgebaut. Die rund 80 Datenexperten im Fachbereich „Business Analytics & Artificial Intelligence“ arbeiten daran, KI-basierte Lösungen für das Telekommunikationsunternehmen und seine Kunden nutzbar zu machen.

Künstliche Intelligenz bei Telefónica Deutschland

KI für das Netz: Network Diagnostics Mittels KI kann Telefónica Anomalien im Mobilfunknetz erkennen und durch Predictive Maintenance sogar voraussagen, wann und wo ein Defekt zu erwarten ist. Das erleichtert die Wartung und Optimierung des Netzes. Techniker im Außendienst können Maßnahmen noch gezielter einleiten und Fehler bspw. von Hardware beheben, bevor sie überhaupt auftreten. KI im Finanzbereich: Finance Diagnostics Die Tariflandschaft von Telefónica besteht aus verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten und Zusatzoptionen. KI hilft den Mitarbeitern den Überblick zu behalten und so ein optimales Angebot für den Kunden zu erstellen. KI für das externe Monitoring Für die Analyse von sozialen Kanälen und klassischen Medien nutzt Telefónica Sprach- und Bilderkennung. Dabei erkennen die Experten beispielsweise, wenn das Logo in einem Artikel verwendet wird. Telefónica versteht so besser und schneller, was die rund 45 Mio. Kunden über das Unternehmen und seine Produkte im öffentlichen Raum sagen und können in Echtzeit auf ihre Bedürfnisse und Kritik reagieren. KI zum Vernetzen des Wissens und der Mitarbeiter: Digital Brain Das „Digital Brain“ ist ein internes Know-how-Netzwerk für die Mitarbeiter auf Basis von KI, das Experten und Wissen im Unternehmen miteinander verbindet. Mitarbeiter können Fragen stellen und das Digital Brain findet unabhängig von Hierarchie oder Bereich den richtigen Ansprechpartner. KI ermöglicht umfangreiche Erkenntnisse aus Daten: Analytics Insights Center Der Datenbestand des Unternehmens sowie Marktdaten werden im Analytical Insights Center mittels KI analysiert. Erkenntnisse stehen allen Mitarbeitern in Echtzeit zur Verfügung. Dafür arbeitet Telefónica eng mit dem deutschen KI-Startup 5Analytics zusammen, an dem das Telekommunikationsunternehmen über den Accelerator Wayra beteiligt ist. So demokratisiert Telefónica das Wissen und ermöglicht jedem Mitarbeiter, Entscheidungen datenbasiert zu treffen. KI für die Analyse von Mobilfunkdaten: Mobilität, Armut und Gesundheit Telefónica NEXT arbeitet bei der Analyse von anonymisierten Mobilfunkdaten für den Verkehr mit dem Datenexperten Teralytics zusammen. Teralytics wendet KI und Machine Learning an, um die tausende von Daten zu analysieren und zusammen mit Telefónica NEXT daraus Erkenntnisse für die Mobilität abzuleiten. Die Muttergesellschaft Telefónica SA analyisiert zudem anonymisierte Mobilfunkdaten für soziale Zwecke und demonstriert in Pilotprojekten, wie diese Analysen zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der UN beitragen können. Das Whitepaper hierzu verfasste der Panelteilnehmer Richard Benjamins. In einem Pilotprojekt von Weltbank und Telefónica Research wurden Mobilfunkdaten dafür verwendet, eine ungefähre Karte der Armutsverteilung in Guatemala zu zeichnen. Zudem haben Wissenschaftler von Telefónica Research Mobilfunkdaten analysiert, um die Effizienz der Maßnahmen gegen die H1N1-Grippepandemie 2009 zu überprüfen. Da die Mobilität der Menschen ein direkter beschleunigender Faktor bei der Ausbreitung von Krankheiten ist, analysierten die Forscher Bewegungsmuster vor und nach der Empfehlung der Regierung, das Haus nicht zu verlassen. Sie entdeckten, dass nur 30 Prozent der Menschen zu Hause blieben, während 70 Prozent kaum Veränderungen in ihrem alltäglichen Verhalten zeigten. In der Zukunft soll dieser datenbasierte Ansatz im Umgang mit Pandemien Leben retten und Regierungen dabei unterstützen, ihre Reaktionen auf solche zu optimieren. KI zur Verbesserung des Kundenservice: Chatbot Lisa Der Chatbot Lisa ist eine virtuelle Online-Hilfe auf der O2 Website. Sie beantwortet einfache und häufige Kundenanliegen schnell und zuverlässig. Zudem navigiert O2 Kunden durch das O2 Portal und liefert ihnen Informationen zu den Themen, die sie interessieren. Lisa macht die Kundeninteraktion somit smarter und die Agenten im Call Center haben mehr Zeit, sich auf komplexe Anfragen zu konzentrieren. Zugriff auf Vertragsinformationen hat Lisa allerdings nicht. Für diesen tiefergehenden Vorgang hat die Telefónica Gruppe die künstliche Intelligenz AURA entwickelt. KI für eine Intuitive Interaktion mit Kunden: AURA Telefónica hat im Februar 2018 AURA gelauncht, ein Sprachassistent auf Basis von KI, der die Interaktion mit dem Unternehmen vereinfachen soll. AURA wird eine zentrale Anlaufstelle für die Bedürfnisse der Kunden. Diese können jederzeit mit AURA kommunizieren: Über Telefónicas eigene Kanäle sowie über einige Plattformen von Drittanbietern wie Facebook Messenger. AURA lernt die Bedürfnisse der Kunden kennen und ermöglicht somit individuelle Services.

Fünf Thesen zur Ethik der künstlichen Intelligenz

Neben dem konkreten Einsatz von KI im Unternehmen beschäftigt sich Telefónica Deutschland auch mit den Grenzen und der Ethik Künstlicher Intelligenz. Fünf Thesen bilden die Leitplanken und sollen auch über das Unternehmen hinaus zum Diskurs anregen. I. „Wir müssen die Menschen mitnehmen – die Digitalisierung ist kein Members Club“ Alle Teile der Gesellschaft sollten Zugang zu digitalen Möglichkeiten erhalten. Und jeder sollte auch befähigt werden, sie zu nutzen. Das steht im Mittelpunkt von Telefónicas „Digitalem Manifest“, das den Menschen in den Mittelpunkt der Digitalisierung stellt. Telefónica Deutschland baut hierfür das größte und modernste Mobilfunknetzwerk, das auf den tatsächlichen Nutzen der Menschen in ihrem digitalen Alltag ausgerichtet ist. Zudem machen wir Menschen aller Altersgruppen fit für die digitale Welt. Mit bundesweiten Förderprogrammen wie Think Big, Digital mobil im Alter und unseren O2 Gurus geben wir Inspiration und Hilfestellung für Millionen Menschen. II. „KI muss den Menschen dienen: Wir werden die Skepsis in der Gesellschaft nur überwinden, wenn künstliche Intelligenz greifbare Vorteile für den Einzelnen schafft.“ Überall dort, wo das menschliche Gehirn an seine Grenzen stößt – denn Millionen von Daten können wir nicht verarbeiten – oder von Routineaufgaben befreit wird, liefert künstliche Intelligenz einen echten Mehrwert. Es ist wichtig, dass der Einzelne selbst den Nutzen erfährt, sonst kehrt er dem technologischen Wandel den Rücken zu. Unsere Mitarbeiter profitieren zum Beispiel durch das sogenannte Digital Brain: eine KI in unserem Intranet, das Menschen und ihr Wissen unabhängig von Abteilung oder Hierarchie miteinander vernetzt. Und auch der Chatbot Lisa nimmt unseren Servicemitarbeitern viele Routineanfragen ab. Unsere Kunden profitieren davon natürlich auch: Sie erhalten schneller und 24/7 Antwort. KI optimiert darüber hinaus auch unser Netz und fördert somit ein positives Kundenerlebnis. III. „Nicht alles, was möglich ist, ist moralisch legitim – künstlicher Intelligenz müssen Grenzen gesetzt werden.“ Wir müssen als Gesellschaft und Wirtschaft gemeinsam klare Grenzen definieren, inwieweit autonome Systeme vordringen dürfen – und das über Ländergrenzen hinweg. Ist eine KI-basierte Personalauswahl möglich und sinnvoll – oder ist sie diskriminierend? Wie können wir verhindern, dass künstliche Intelligenz im Wahlkampf eingesetzt wird, um unsere persönlichen politischen Ansichten zu beeinflussen? Das sind nur zwei Fragen, die wir diskutieren sollten. Darüber hinaus müssen die Regulierungsbehörden verhindern, dass einzelne Internetplattformen zu dominant werden und somit die alleinige Kontrolle über das Nutzererlebnis oder die Bereitstellung von Informationen haben. IV. „Die Verwendung von Daten muss transparent sein“ Wir bei Telefónica sind überzeugt, dass jeder über die Verwendung seiner Daten selbst entscheiden sollte. Und wir müssen akzeptieren, dass es dafür keine internationale Wahrheit und keinen Standard gibt. Mehr noch, die Bereitschaft der Menschen, Daten zu teilen, ist weltweit sehr unterschiedlich. Aber ein gemeinsames Ziel und Verständnis sollte sein: Transparenz. Deshalb ist es uns bei Telefónica wichtig, offen über unsere Datenanalysen zu informieren. Sei es auf speziell dafür eingerichteten Websites, in unserem Geschäftsbricht oder über die Presse. Des Weiteren geben wir jedem die Wahl, der Analyse seiner anonymisierten Daten auch zu widersprechen. Damit gehen wir über gesetzliche Anforderungen hinaus und geben den Nutzern die Kontrolle über ihre Daten zurück. Zudem ist es besonders in Hinblick auf Künstliche Intelligenz wichtig zu wissen, ob Mensch oder Maschine ein Ergebnis erzielt haben, damit wir beurteilen können, welche Kriterien zu einem bestimmten Ergebnis geführt haben – von Mensch oder Maschine. V. „Der Mensch muss oberste ethische Instanz bleiben“ Wir lenken Maschinen, nicht sie uns. Kein Computer wird jemals in der Lage sein, einen Menschen in ethischen Fragen zu ersetzen. Unser moralisches Urteilsvermögen erfordert implizites Hintergrundwissen, das nicht immer erklärbar und programmierbar ist, da es unendlich groß ist. Wir Menschen geben uns nie damit zufrieden, einer Regel zu folgen. Explizite Regeln gibt es nur für einen kleinen Bereich des Verhaltens. Menschen sehen eine Vielzahl von Prinzipien als gesichert und evident an und können daher Zusammenhänge völlig anders interpretieren, als es Roboter je könnten. In dieser Hinsicht sind wir den Maschinen weit voraus. Deshalb sollte es auch in Zukunft nur der Mensch sein, der über ethische und moralische Fragen entscheiden darf.

Von: Julia Lindner

Julia Lindner ist Pressesprecherin bei Telefónica Deutschland.

Weitere Informationen:

Ausführlicher Nachbericht zur Veranstaltung „Tagesspiegel Data Debates“. Data Debates Website Data Debates im Basecamp