20.07.2020
CEO Markus Haas im FAS-Interview:"Wir haben den Mobilfunk erschwinglich gemacht"
Telefónica Deutschland CEO Markus Haas blickt in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung auf die 25-jährige Geschichte des Unternehmens, auf aktuelle Entwicklungen im Markt und wirft einen Blick nach vorn auf die kommende 5G-Ära.
Wir geben an dieser Stelle Auszüge des Gesprächs wieder. Das Interview erschien am 19. Juli 2020 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Herr Haas, O2 wird 25 Jahre alt und hat immer noch das schlechteste Mobilfunknetz in Deutschland. Was läuft da schief?
Markus Haas: Moment, wir haben mittlerweile ein sehr gutes O2 Netz, liegen auf Augenhöhe mit den Wettbewerbern. In den Tests haben wir zuletzt immer die Note „gut“ für unser Netzqualität erhalten.
Trotzdem: Die weißen Flecken im O2 Netz sind legendär, ein Ärgernis für die Kunden.
Markus Haas: Zugegeben, das war einige Zeit so. Insbesondere als wir die zwei Netze im Zuge der E-Plus-Übernahme zusammengeführt haben. Gerade in jüngster Zeit haben wir uns aber deutlich verbessert. Und wir steigern uns weiter. Die Basis bildet das größte Investitionsprogramm in unserer Firmengeschichte. Wir stecken bis 2022 vier Milliarden Euro in unser Netz. In der Vergangenheit haben wir immer erst dann investiert, wenn auch Nachfrage bei den Kunden bestand. Das hat sich geändert. Heute schließen wir viel früher auf. Und die Corona-Krise hat gezeigt: Die Netze sind weit besser und viel stabiler als ihr Ruf.
Wie verträgt sich das mit der Beschwerde der Aufsicht? Die Netzagentur droht Ihnen mit einem Zwangsgeld von 600.000 Euro, wenn Sie bis Ende Juli nicht mit dem geforderten LTE-Ausbau vorankommen. Werden Sie die Strafe bezahlen?
Markus Haas: Wir sind sehr sehr zuversichtlich, dass wir in Kürze Vollzug melden können, den ersten Teil der für das gesamte Jahr erforderlichen 7.600 LTE-Stationen errichtet zu haben und so eine Strafzahlung zu vermeiden. Der Corona-Lockdown hat das Projekt leider leicht verzögert. Aber jetzt holen wir auf und liegen wieder im Plan. Das alles sind im Vergleich zu unseren Herausforderungen vor 25 Jahren keine wirklich großen Probleme. Wir sind damals von Null auf 100 gestartet. Heute telefoniert jeder zweite mit unseren Marken. Wir haben den Mobilfunk erschwinglich gemacht, haben ihn aus dem Luxus-Segment geholt. Als wir vor einem Viertel-Jahrhundert angefangen haben, kostete eine Minute Telefonieren ins Festnetz 1,69 Mark. Irre aus heutiger Sicht.
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Waren Sie von Anfang an dabei bei O2, die zunächst Viag Interkom hieß, gegründet als Gemeinschaftsunternehmen des Energiekonzerns Viag und der britischen Telekom?
Markus Haas: Fast. 1995 ging es mit der Viag Interkom los. Drei Jahre später stieß ich dazu, als Jurist direkt von der Uni kommend. Recht und Regulierung waren damals mein Thema, als wir als Neuling den Mobilfunkmarkt betreten haben.
Telekom und Mannesmann hatten mit D1 und D2 den jungen Markt damals unter sich aufgeteilt.
Markus Haas: Richtig. Die Geschäftskunden, die bis heute die lukrativsten Kunden für die Netzbetreiber sind, hatten da alle schon ihre Marke gefunden. Unsere Chance waren die Privatleute, also mussten wir den Massenmarkt erobern. Das haben wir geschafft. Geholfen haben innovative Produkte und Partner wie Aldi und Tchibo im Prepaidkartengeschäft. In dem Geschäft sind Skaleneffekte immens wichtig. Spätestens mit dem Zusammengehen von E-Plus und O2 haben wir die notwendige Größe erreicht. Jetzt haben wir in Deutschland drei Anbieter mit eigenem Netz. Das ist eine Konstellation, wie sie sich auch in den meisten anderen Länder herausgebildet hat. Jeder zweite Privatkunde nutzt heute unsere Infrastruktur. Das O2 Netz ist das Netz der Bürger. Unsere Wettbewerber haben bei den Geschäftsleuten noch einen Vorsprung.
Mögen die Minutenpreise auch drastisch gefallen sein, unsere monatlichen Ausgaben fürs Handy bleiben konstant: Stimmt dieser Eindruck?
Markus Haas: So einfach ist es nicht. Früher haben Sie mit dem Handy nur telefoniert und SMS verschickt. Heute haben Sie ganz andere Möglichkeiten. Sie organisieren mit dem Smartphone über ihre Apps fast ihr ganzes digitales Leben. Der Nutzen hat sich verzigfacht verglichen mit dem Angebot von damals. Um dies möglich zu machen waren immense Ausgaben der Netzbetreiber nötig. Rund 65 Milliarden Euro kosteten die Branche allein die Lizenzen. 50 weitere Milliarden Euro wurden in den Ausbau der Netze investiert.
Wie hat sich über die Jahre der Umsatz pro Kopf entwickelt?
Markus Haas: Generell sind die Erlöse pro Kunde in Deutschland gesunken und das bei einem gleichzeitigen Anstieg der Teuerung. In den vergangenen zehn Jahren hat der Markt insgesamt etwa 15 Prozent des Umsatzes verloren. Die Einnahmen gingen zurück von etwa 20 auf rund 17 Milliarden Euro. In anderen Ländern wird für die Nutzung des Mobilfunks viel mehr bezahlt. Das ist eine Herausforderung für uns Netzbetreiber, da wir weiter in den Ausbau unserer Technik investieren müssen – so viel wie auch in kaum einem anderen Land Europas.
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In Deutschland gibt es mehr Handys als Bürger: Ist mit 143 Millionen Sim-Karten allmählich die Grenze erreicht?
Markus Haas: Da die Bevölkerung recht stabil ist, ist bei der Zahl der Kunden allmählich die Sättigung erreicht. Ganz anders liegen die Dinge bei den Sim-Karten: Da sehen wir exponentielle Wachstumskurven! Stichwort: Internet der Dinge. Jedes Auto und jeder E-Roller wird heute ans Netz gebracht. Maschinen kommunizieren künftig untereinander. Langfristig geht der Bedarf an direkt in die Produkte verbauten eSims“ in die Milliarden, da sich die Zahl der damit ausgestatteten Geräte vervielfacht.
Sie haben vor Jahren prophezeit, dass der Deutsche 2020 im Schnitt 3,6 Geräte mit Sim-Karte nutzen wird. Das war arg vollmundig.
Markus Haas: Warten Sie ab! Der Trend geht in diese Richtung, wir liegen heute schon über zwei Sim-Karten pro aktivem Nutzer, in ein paar Jahren wird sich die Zahl auf 5 oder 10 Geräte pro Kopf erhöhen.
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Wird das Handy das Festnetz irgendwann ganz ersetzen?
Markus Haas: Die Zahl der Festnetzanschlüsse ist relativ stabil. In der Krise haben wir sogar eher das gegenteilige Phänomen gesehen: Der Breitbandanschluss wurde wieder wichtiger, Kunden buchen Leistungen dazu - zum Beispiel für Familien, wenn die Kinder per Zoom unterrichtet werden und die Eltern im Homeoffice arbeiten. Für viele Dienste wie Musik- oder Filmstreaming wird der Festnetzanschluss interessant bleiben. Es wird immer mehr so laufen, dass der Kunde sich die Geschwindigkeit seines Netzes aussucht, nicht die Technologie. Ob er dann über Handy oder Festnetztelefon streamt, das wird für ihn immer irrelevanter.
Und wann wird der gewöhnliche Kunde in den Genuss des angeblich so fabelhaften 5G-Netzes kommen?
Markus Haas: Wir starten damit dieses Jahr in fünf großen deutschen Städten: Berlin, Hamburg, München, Frankfurt und Köln. Bis zum Jahr 2022 wollen wir 16 Millionen Menschen mit unserem 5G-Netz erreichen.
Wird der Unterschied spürbar sein?
Markus Haas: Ja. Denn ganz andere Geschwindigkeiten sind möglich. Mit 5G kann eine ganze Staffel „Game of Thrones“ binnen einer Minute runtergeladen werden. Mit dem 5G-Netz sind auf einem Quadratkilometer eine Million Geräte zu verbinden. Mit 4G sind es ein paar Tausend. Das ist ein Quantensprung, und wir stehen erst am Anfang, lernen jeden Tag etwas über neue Nutzungsmöglichkeiten. Irgendwann wird es eine komplett 5G-gesteuerte Fabrik geben. Neben dem öffentlichen Netz arbeiten wir heute schon an Campus-Lösungen für Konzerne, wie für Mercedes in Sindelfingen. Ich bin sicher: In den nächsten zehn Jahren wird in jeder Produktionsstätte W-LAN abgeschaltet und auf 5G umgestiegen.
Braucht es zum Aufbau der 5G-Netze Huawei? Amerikaner und jetzt auch Briten haben die Chinesen aus Furcht vor Spionage rausgeworfen.
Markus Haas: Wir haben uns beim Aufbau unseres 5G Kernnetzes mit Ericsson für einen europäischen Anbieter entschieden. Das Kernnetz ist der mit Abstand sicherheitsrelevanteste Teil des Netzes, weil hier alle Daten zusammenlaufen. Diese Entscheidung gibt uns Planungssicherheit. In unserem Zugangsnetz wollen wir auf zwei unterschiedliche Lieferanten setzen. Hier benötigen wir vor allem Rechtssicherheit bezüglich der Zertifizierung, mit der frühestens ab Herbst die Zulassung von Komponenten einzelner Hersteller geregelt werden soll.
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Von: Guido Heitmann
Principal Corporate Communications, Reputation & Positioning
Guido Heitmann verantwortet seit August 2023 in der Kommunikation der O2 Telefónica die Reputations- und Positionierungsthemen des Unternehmens. Zuvor leitete er unter anderem das Corporate Communications Team der Unternehmenskommunikation. Er ist seit 2001 im Kommunikationsteam des Unternehmens in unterschiedlichen Funktionen tätig, ursprünglich bei der E-Plus Gruppe und seit 2014 bei O2 Telefónica. Geboren in Buxtehude, Diplom-Kaufmann, Schifffahrtskaufmann und zuvor Kommunikator der Hapag-Lloyd AG in Hamburg. Kommunikationsthemenschwerpunkte: Reputation, Digitalisierung, Regulierung, Recht und unternehmerische Verantwortung.
Twitter/X: @gu_heitmann
Wir feiern 25 Jahre!
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