13.08.2018
CEO Markus Haas im Interview mit dem Handelsblatt:„Der bisherige Weg in Deutschland war falsch“
In einem Gespräch mit dem Handelsblatt erklärt CEO Markus Haas, dass es in der Politik künftig darum gehen muss, Investitionen in den Infrastrukturausbau zu stärken. Er spricht sich gegen eine Diensteanbieterverpflichtung aus und erläutert, dass ein viertes Netz nicht helfen wird, die Versorgung in Deutschland zu verbessern.
Wir zitieren an dieser Stelle Auszüge. Das vollständige Gespräch findet sich online sowie in der Printausgabe des Handelsblatt vom 13. August 2018.
5G-Lizenzvergabe, Glasfaserausbau und Fusion von Vodafone mit Unitymedia: Wie tiefgreifend sind die Veränderungen im deutschen Telekommunikationsmarkt?
Haas: Aus meiner Sicht legen wir die Spielregeln für die kommenden zehn Jahre fest, weil wir neue Technologien haben, weil wir Veränderungen von Spielern im Markt haben und weil wir uns überlegen müssen, welche Infrastruktur Deutschland braucht. Alle drei Entscheidungen werden bestimmen, wie gut sich die Netze in Deutschland entwickeln werden. Es geht auch um die Frage: Wie viel Investitionspotenzial wollen wir in Deutschland aus dem Markt und aus den Playern rausholen? Wenn wir die aktuelle Situation verändern wollen, dass wir in der Bundesrepublik sowohl beim Festnetz, als auch beim Mobilfunk im letzten Viertel im OECD-Vergleich stehen, dann muss die Politik diese drei Entscheidungen nutzen, um Investitionen im Markt zu stärken.
Sie wollen möglichst nichts für 5G-Lizenzen zahlen und trotzdem eine Verpflichtung verhindern, Anbieter wie 1&1 oder Freenet auf Ihr Netz zu lassen?
Haas: Die deutsche Telekommunikationsinfrastruktur ist unterinvestiert. Wir haben in Europa mit die schwächsten Netze und die meisten MVNOs (Anm. d. R.: Mobilfunk-Discounter, die über kein eigenes Netz verfügen, wie 1&1 oder Freenet). Da muss es einen Zusammenhang geben. Das Rückgrat der Industrie 4.0 wird 5G sein. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Dafür müssen wir investieren und die richtigen Rahmenbedingungen haben, damit wir das Investitionspotenzial auch optimal nutzen können.
Machen Sie es sich da nicht zu einfach? Telefónica Deutschland ist Schlusslicht bei den Investitionsquoten. Telekom und Vodafone investieren deutlich mehr in die Infrastruktur.
Haas: Wir haben eine Investitionsquote von etwa 13 Prozent. Wir konzentrieren uns mit diesem Geld im Gegensatz zum Wettbewerb voll auf den Mobilfunk und nicht aufs Festnetz. Wir stecken etwa eine Milliarde Euro im Jahr in den Mobilfunk und da sind wir auch gut aufgestellt. Warum? Wir betreiben heute die meisten Antennenstandorte in Deutschland nach der Zusammenlegung mit E-Plus. Wir müssen also nicht viel Geld ausgeben, um neue Standorte zu bauen. Für uns geht es jetzt darum, neue Technologien aufzubauen und in Glasfaser-Kooperationen mit allen Playern im Markt zu gehen, damit wir alle Stationen mit Glasfaser versorgen können.
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Der United-Internet-Gründer Ralf Dommermuth wirft Ihnen, sowie Telekom und Vodafone vor, zu wenig für den Netzausbau zu tun. Dafür bietet er an, selbst ein Netz aufzubauen. Wäre das nicht eine gute Idee?
Haas: Die Voraussetzungen bestehen seit 2014 – investiert wurde seitens United Internet kein einziger Euro. Wir haben bei der Fusion mit E-Plus zusammen mit der EU-Kommission gesonderte Rahmenbedingungen für mögliche Neueinsteiger definiert. Die Frist läuft bis September des nächsten Jahres. Die EU-Kommission hat darin eine Art Starter-Kit für interessierte Neueinsteiger definiert. Das beinhaltet Frequenzen, National Roaming (Anm. d. Red.: die Möglichkeit, gegen Entgelte auch die Handynetze der Konkurrenz nutzen zu dürfen), aber auch eine Ausbauverpflichtung. Alles, was jetzt zusätzlich reguliert wird, könnte die Rahmenbedingungen für neue Investitionen in das Netz verschlechtern.
Was meinen Sie konkret?
Haas: Wenn jemand glaubt, er löse die Infrastrukturprobleme in Deutschland mit einem vierten Netz, der ist aus meiner Sicht auf dem Holzweg. Wie bereits erwähnt, hat Deutschland in Europa mit die schwächsten Netze und die meisten MVNOs. Die Länder mit den besten Infrastrukturen konzentrieren sich dagegen auf drei Netze. Die Politik steht deshalb vor einer wichtigen Entscheidung. Will sie die beste Infrastruktur schaffen, oder will sie so weitermachen wie bisher? Wenn wir 5G verschlafen, haben wir nicht nur in der Telekommunikationsindustrie ein Problem, sondern dann hat Deutschland ein Problem. Die Wirtschaft verlässt sich darauf, dass wir die Infrastruktur bauen, damit sie die Effizienzgewinne aus 5G nutzen kann. Die Idee eines vierten Netzes wird uns nicht helfen, in die Champions-League der Netze aufzusteigen.
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Was genau ist aus Ihrer Sicht das Problem?
Haas: In Deutschland gibt es keine beherrschenden Unternehmen auf dem Mobilfunkmarkt. In keinem anderen großen Land in Europa werden wie in Deutschland nicht-marktbeherrschende Unternehmen gezwungen, ihr Netz zu regulierten Konditionen bereitzustellen. Das gibt es weder in Spanien, noch Italien oder England. Mit Blick darauf, dass Deutschland eine so schlechte Infrastruktur hat, muss sich die Bundesnetzagentur fragen, ob sie die Spielregeln nachträglich weiter verschärfen und die Netzbetreiber noch mehr schwächen will. Denn das hemmt künftige Investitionen und entwertet die bisherigen Investitionen aller Anbieter. Allein Telefónica hat 30 Milliarden Euro in Deutschland in den letzten 12 Jahren investiert.
Was heißt das konkret für 5G? Wo ist Ihre rote Linie.
Haas: Wir brauchen akzeptable Zahlungsbedingungen, keine Dienstanbieterverpflichtung oder National Roaming und keine regionalen Frequenzen. Dann sind wir auch bereit, noch mehr in die Fläche zu investieren. Und dann sind wir auch bereit, sehr zügig zu investieren.
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Hätten Sie überhaupt das Geld für den Ausbau von 5G? Sie haben im letzten Quartal einen Verlust von 12 Millionen Euro gemacht. Ihre spanische Mutter muss Schulden abbauen. Von dort ist also auch wenig zu erwarten, oder?
Haas: Absolut haben wir das Geld und wir investieren kontinuierlich. Telefónica Deutschland hat eine niedrige Verschuldungsrate. Zudem sind die Kosten für 4G dramatisch gesunken. Ich kann heute 4G-Technologie deutlich günstiger einkaufen als vor drei Jahren. Zum richtigen Zeitpunkt zu investieren, hat auch einen Wert.
Wo wird die Telefónica Deutschland in einem Jahr stehen?
Haas: Wir haben dann das größte und modernste Mobilfunknetz fertiggestellt. Wir haben eine günstige 5G-Vergabe erlebt, damit wir investieren können. Wir haben die erste 5G-Teststation eingeschaltet, die wir auch kommerziell nutzen können. Und wir sind dabei, den Mobilfunkpakt zu erfüllen, also unter investitionsfreundlichen Rahmenbedingungen eine Netzabdeckung von 99 Prozent bei 4G zu erreichen.
Von: Guido Heitmann
Principal Corporate Communications, Reputation & Positioning
Guido Heitmann verantwortet seit August 2023 in der Kommunikation der O2 Telefónica die Reputations- und Positionierungsthemen des Unternehmens. Zuvor leitete er unter anderem das Corporate Communications Team der Unternehmenskommunikation. Er ist seit 2001 im Kommunikationsteam des Unternehmens in unterschiedlichen Funktionen tätig, ursprünglich bei der E-Plus Gruppe und seit 2014 bei O2 Telefónica. Geboren in Buxtehude, Diplom-Kaufmann, Schifffahrtskaufmann und zuvor Kommunikator der Hapag-Lloyd AG in Hamburg. Kommunikationsthemenschwerpunkte: Reputation, Digitalisierung, Regulierung, Recht und unternehmerische Verantwortung.
Twitter/X: @gu_heitmann
Weitere Informationen:
Wir zeigen hier eine gekürzte Fassung des Gesprächs. Das vollständige Interview erschien am 13. August 2018.